Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

In Übersetzungen von

Rainer Maria Rilke

 

 

 

237tes Sonett

 

In ihres Alters blühenstem Beginn,

da Liebe Kraft giebt, daß man ganz empfinde,

der Erde lassend diese irdne Rinde,

schwand Laura, die Belebende, mir hin:

 

und stieg zum Himmel nackt und schön und lebend;

von dort beherrscht sie mich und drängt und quält.

Ach, daß sie mir aus Sterblichem nicht schält

den letzten Tag, zum ersten dort ihn hebend.

 

Wie die Gedanken stets Gefolg ihr waren,

so müßte nun die Seele hinterher

leicht, heiter, steigend, um mich zu bewahren

 

vor solcher Not. Das warten hat Gefahren

und macht mich innen in mir selber schwer.

O wie war Sterben schön, heut vor drei Jahren.

 

 

 

248. tes Sonett

 

Erhabne Flamme, mehr als schöne, schön,
zu der der Himmel neigte so unstreitig,
daß er beschloß, sie, ach für mich zu zeitig,
zu dem ihr gleichen Sterne zu erhöhn.

 

Jetzt erst erwach ich und gewahr, wie sie
zu meinem Besten jenen Wünschen wehrte,
da sie der Glut, die Jugend noch vermehrte,
ihr Antlitz süß zugleich und trügend lieh.

 

Ihr dank ich, ihrem Rat und Augenmerk;
wie machte sie mit sanftestem Verachten
in meinem Brand das eigne Heil mir dringend.

 

Durch Künste, welche würdge Früchte brachten,
war Zunge hier und Braue dort am Werk,
ich Ruhm auf sie, sie in mich Tugend bringend.